Japser sprintet das Treppenhaus hoch. Auf Bildern an den Wänden sind Fachwerkhäuser mit Tulpen abgebildet. Sind das nicht die Häuser, in denen der Boden so knatscht? Jasper hält die Luft an und rennt noch schneller. Er versucht, immer drei Stufen auf einmal zu erwischen. Seine Arme zieht er kräftig vor und zurück, als würde er durch diese Ruderbewegung ein ganzes Drachenschiff vorantreiben können. Einen Zimmerschlüssel trägt Jasper am Hals. Schnaufend zieht er das warme Metall am Band aus seinem Kragen. Als er versucht, das Schlüsselloch von Zimmer 88 zu treffen, merkt er, wie er zittert. Gut tut das. Jeder Muskel sagt ihm, dass er ist. Aber was für ein Zettel liegt denn da unter der Tür hervor? Hat Mama Nachricht vom Zimmerpersonal?
Jasper liest die krakelige Handschrift vor: „Wilhelmstrasse 73, 20 Uhr“ steht darauf. Mutter hat vor lauter Therapien doch gar keine Zeit, sich hier zu verabreden“, denkt er und knüllt den Zettel in seine Hosentasche.
Ungehemmt schmeißt er sich auf das Bett seiner Mutter. Das Kissen, in welches er sich fallen lässt, ist derart flauschig, dass gewiss die Federn von hundert Gänsen enthalten sein müssen. Das Bett hat links und rechts keine Begrenzung, die Bettwäsche duftet nach Weichspüler. Jasper atmet tief. Er wälzt sich nach links, rollt sich nach rechts und lässt sich kopfüber das Bett runterhängen. „Chillen“, brummt er. „Einfach mal easy machen“.
Plötzlich entdeckt er unter dem Bett einen Karton. Was ist das? Neugierig zieht Jasper die schwarz-weiße Pappkiste hervor. Er knibbelt am Kleberand, sieht kurz zur Tür. Bevor er das Paket öffnet, setzt er sich auf den Fußboden. Dann staunt er nicht schlecht: „Ein Hoverboard? Wo kommt das denn her? Hat das jemand hier vergessen?“ Jasper ist ganz aufgeregt. Er wühlt sein Handy aus der Tasche, springt zum Regal, greift sein Ladegerät und schließt hektisch sein Handy an. Dieser verflixte rote Ladebalken, den man sehen kann, bevor das Handy genug Leistung hat, um wieder hoch zu fahren. „Beeil dich!“, murmelt Jasper und schüttelt sein Smartphone ein wenig, als würde es dann verstehen, dass es schneller arbeiten muss. Über einen Nachrichtendienst tippt er: „Tjark! Guck, was ich gefunden habe! Hoverboard! Was mache ich damit?“ Schnell hängt er ein Foto an die Nachricht.
„GEFUNDEN? LOL!“, reagiert Tjark sofort.
Jasper schüttelt den Kopf.
„Ist es geladen?“, fragt Tjark per Nachricht.
Jasper zuckt die Schultern. Er beugt sich über den Karton und hebt das Hoverboard raus.
Wieder piept sein Handy. „FAHREN! WAS SONST?“ leuchtet die Nachricht seines Freundes.
Jaspers Augen strahlen. Wie lange er sich schon gewünscht hat, Hoverboard zu fahren. Wie end-cool diese Teile sind. „Jep! Ich will fahren, sonst nix!!!“, schreibt er Tjark zurück und steckt sein Handy in die Hosentasche. Er schiebt den leeren Karton zurück unter das Bett. Grade dreht er sich zum Tisch, da hört er einen Schlüssel in der Tür. „Mama kommt!“, erschreckt sich der Zwölfjährige. Ohne nachzudenken wirft er seine Jacke über das Board und setzt sich drauf.
„Hier bist du“, seufzt Jaspers Mutter erleichtert. Sie schließt die Tür und legt sich auf ihr Bett. Eine Weile starrt sie schweigend an die Decke. Dann murmelt sie: „Jasper, vielleicht war heute alles etwas viel. Ich habe schon eine Tablette genommen. Du musst unbedingt deinen Vater nochmal besuchen. Aber morgen ist auch noch ein Tag.“
Jasper antwortet nicht. Er sieht, wie Mama die Augen schließt und so, wie sie ist, einschläft. Leise steht Jasper auf. „Sturmfrei?“, fragt er das Hoverboard ungläubig, greift es und schleicht sich aus dem Raum.